MDR verschoben und §120 Übergangsregelung VS Design Changes

+++ UPDATE MDR +++

Trotz Corona-Pandemie dreht sich die Welt weiter. Die EU-Kommssion hat die Zeichen der Zeit verstanden und arbeitet gerade an einem Vorschlag (Video vom 25. März 2020), den Geltungsbeginn der Medizinprodukteverordnung (MDR) um ein Jahr zu verschieben. Das ist eine wirklich sinnvolle Maßnahme, um den sehr straffen Zeitplan ein wenig zu entzerren und die Unternehmen zu entlasten – vielleicht wird bis zum Jahr 2021 ja sogar die EUDAMED fertig. Die finale Entscheidung über den Vorschlag wird wohl im April erwartet. Es bleibt spannend!

Neuigkeiten von der MDCG zum §120 der MDR

Ebenfalls sehr erfreulich ist es, dass die Medical Device Coordination Group (MDCG) einen neuen Leitfaden veröffentlicht hat: MDCG 2020-3 Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD.

Ein erstes Aufatmen der Medizinprodukteindustrie war nach dem zweiten Korrigendum zur MDR vom 25. November 2019 zu spüren. Eine wesentliche Änderung des Artikel 120 besagt nun, dass Klasse I Produkte nach MDD, die nach MDR höher klassifiziert würden, bis maximal zum 26. Mai 2024 weiter verkauft werden dürfen, solange eine gültige Bescheinigung oder die Konformitätserklärung nach MDD vorliegt. Dies hilft u.a. Herstellern von Medizinprodukte-Software, da es nach MDR Anhang VIII Regel 11 eigentlich keine medizinisch relevante Software mehr gibt, die unter die Klasse I fällt. Prof. Christian Johner vom Johner Institut hat zu diesem Thema bereits Stellung bezogen und kritisiert, dass die Regel 11 zur Innovationsbremse wird.

Der Artikel 120 der MDR und die wesentlichen Änderungen

Der Artikel 120 sagt nun also aus, dass diese Produkte bis Mai 2024 weiter verkauft werden können, WENN keine wesentlichen Änderungen der Auslegung (englisch: no significant changes in the design) vorliegen. Seit der Veröffentlichung des zweiten Korrigendums wird rege diskutiert, ab wann eine Änderung wesentlich ist und wann nicht. An diesem Punkt hilft nun der Leitfaden der MDCG, der erfrischenderweise sehr kompakt ausfällt. Neben ein paar wenigen Seiten Text finden sich im Anhang mehrere Flussdiagramme, die die Einstufung als wesentliche oder unwesentliche Änderung erleichtern sollen.

Als Grundregel gilt: Wenn Änderungen am Produkt als unwesentlich eingestuft werden, so muss die Entscheidungsfindung dokumentiert und begründet werden können.

Für Software gilt das Flussdiagramm C

Auszug MDCG - MDR
Screenshot aus dem Medical Device Coordination Group Document 2020-3

Für Änderungen an der Software muss man neben dem Haupt-Diagramm noch das Diagramm C berücksichtigen. Es liest sich fast wie Satire, aber eigentlich werden alle Änderungen als wesentlich eingestuft, es sei denn es handelt sich um kleine/geringfügige Änderungen (minor change). Folgt man der Fußnote, finden sich doch noch ein paar Beispiele für kleine Änderungen, die damit als unwesentlich eingestuft werden können:

  • Korrektur eines Fehlers, der kein Sicherheitsrisiko darstellt (Bugfixes)
  • Sicherheitsupdate (z.B. Cyber-Security Verbesserungen)
  • Aussehen der Benutzerschnittstelle
  • Betriebseffizienz
  • Änderungen zur Verbesserung der Benutzerschnittstelle ohne Leistungsänderungen

Alle anderen Software-Änderungen können als wesentlich angesehen werden (= in Verkehr bringen nach MDR). Auch hier gibt der Leitfaden ein paar Beispiele:

  • Neues oder größere Änderungen am Betriebssystem
  • Neue oder geänderte Architektur oder Datenbankstruktur
  • Änderung von Algorithmen
  • Notwendige Benutzereingabe durch ein Closed-Loop-System ersetzen
  • Neues diagnostisches oder therapeutisches Feature; neuer „Interoperabilitäts-Kanal“
  • Neue Benutzerschnittstelle oder neue Darstellung von Daten

Der Leitfaden kommt zur rechten Zeit und schafft es, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Fehlerbehebung ist in Ordnung – neue Funktionen sind es nicht

Eines ist aber klar und jetzt steht es schwarz auf weiß: Unwesentliche Änderungen sind kleine Änderungen, die die Leistung oder den Funktionsumfang des Produktes nicht ändern. Aber, und das ist wichtig, die Hersteller dürfen Ihre am Markt befindlichen Produkte weiter pflegen, also Patches für Fehlerkorrekturen liefern oder Sicherheitsupdates installieren ohne gleich ein Zulassungsverfahren nach MDR durchlaufen zu müssen.

Noch ein kleiner Hinweis zum Schluss: Für alle, die sich nicht durch mehrere Seiten an Flussdiagrammen kämpfen wollen: Prof Christian Johner war so nett und hat aus den einzelnen Diagrammen ein schönes großes Diagramm erstellt – vielen Dank!