Konfliktmanagement – immer wichtig, häufig vernachlässigt.

Comic zu Konfliktmanagement
It is hard to establish a good conflict management.

Konflikte entstehen in allen Bereichen des privaten und beruflichen Lebens. Man kann sogar sagen, Konflikte treten überall dort auf, wo der Faktor Mensch eine Rolle spielt. Und das gerade im beruflichen Kontext. Denn dort treffen häufig verschiedene Ziel- und Wertevorstellungen aufeinander.

Auch ein agiles Projektumfeld ist gegen Konflikte alles andere als gefeit und bietet vor allem hinsichtlich finanzieller, fachlicher und sozialer Natur mögliche Konfliktpunkte. Fehlender Respekt oder mangelnde Offenheit bilden die größten Ursachen bei der Konfliktentstehung und können langfristige und strategische Schäden an Partnerschaften und Projekten verursachen. Doch nicht immer sind Konflikte klar und eindeutig zu identifizieren. Sie schleichen sich häufig heimlich durch schlechte Gewohnheiten und mangelnde Transparenz zwischen den beteiligten Parteien ein. Die genauen Ursachen sind oft nur schwer zu identifizieren und Konflikte sind lediglich manifestierte Symptome des Problems. Sie zeigen sich durch schlechte Kommunikation zwischen den Menschen oder einen Mangel an Offenheit. Es ist also wichtig, auch in agilen Projekten ein aktives und gepflegtes Konfliktmanagement zu etablieren.

Allgemeiner Konfliktablauf

Das Konfliktmanagement ist eine Disziplin, die sich mit der Identifikation, Steuerung und Regelung von Konflikten beschäftigt (Bartscher 2018). Dazu gehören das Ergreifen von Maßnahmen, um den Konflikten entgegenzuwirken oder sie zu schlichten. Dies können Lösungsmethoden und Interventionen sein. Um auf Konflikte angemessen reagieren zu können, ist es hilfreich, ein generisches Ablaufmodell aufzustellen und sich dessen bewusst zu sein.

Konfliktmodell

Konfliktmanagement Methode: das Konfliktablaufmodell
Generisches Konfliktablaufmodell

Zu Beginn betreten zwei oder mehr Teilnehmer, entweder aus verschiedenen Parteien oder aber auch aus der gleichen, die Konfliktzone und beginnen zu argumentieren oder zu diskutieren. In der Phase „Take a Stand“ sind die Parteien unnachgiebig und stur. Das bildet die Grundlage der nächsten Phase und kann dazu führen, dass keine der Parteien mehr bereit ist, ihre Standpunkte aufzugeben. Der Konflikt spitzt sich zu und es beginnt sich eine Situation aufzubauen, in der ein Sieger-Verlierer Denken die Debatte beherrscht. (Proksch 2014, S. 7–9). Im darauffolgenden „Blame Game“ beginnen sich die Parteien gegenseitig Schuld zuzuweisen und wollen nicht für ihr eigenes Versagen, gerechtfertigt oder nicht, verantwortlich sein. In den Phasen 4-5 werden Aktionen durchgeführt. Das können bewusste Sabotagen oder auch Verschweigen von wichtigen Informationen sein.

Es entsteht ein Hin und Her zwischen den Beteiligten, bei dem stets eine Partei versucht, sich besser darzustellen als ihr Gegenüber. Kleinigkeiten, die sich akkumulieren und letzten Endes in einer Explosion in Form eines manifesten Konflikts entladen. Dies kann dazu führen, dass die beteiligten Teammitglieder nicht mehr miteinander sprechen oder versuchen, den Gegner so zu schädigen, dass dieser nicht mehr handlungsfähig ist (Kresimir Popovic 2009). In der letzten Phase bleibt den Beteiligten schließlich nur die Möglichkeit „Scherben aufzuheben“. Also das zu retten, was noch zu retten ist.

Da es sich hierbei um ein Modell handelt, ist es nur eine Abstraktion. In der Realität müssen nicht immer alle Phasen auftreten oder in dieser Reihenfolge ablaufen. Es kann allerdings dabei helfen einzuschätzen, wo sich ein Konfliktverlauf gerade befindet und welche Lösungsmöglichkeiten angemessen sind. Abschließend lässt sich zudem empfehlen, möglichst früh innerhalb des Konflikts einzugreifen, um unnötige Reibungen und Spannungen frühzeitig zu eliminieren.

Methoden zur Konfliktvorbeugung und -bewältigung

Bei den Maßnahmen im Konfliktmanagement hat man einen weiten Pool, aus dem man sich bedienen kann. Ob diese nun präventiv oder reaktiv sind, eine Kombination aus beiden Typen ist immer sinnvoll.

 

Projektharmonie durch Persönlichkeitstypen

Schon bei der Auswahl der Projektbeteiligten legt man die Grundsteine, um ein angenehmes Projektumfeld zu schaffen. Beispielsweise ist darauf zu achten, eine ausgewogene Harmonie von Persönlichkeitstypen im Projekt herzustellen. Eine Klassifizierung von Persönlichkeitstypen kann mithilfe des „DISG-Modell“[1] getroffen werden. Dieses Modell beschreibt nach dem Prinzip der Selbstbeschreibung bestimmte Ausprägungen von Verhaltenstendenzen bei einem bestimmte Typ. Wenn es nun um die Auswahl der Projektbeteiligten geht, sollte auf eine Ausgewogenheit der Typen geachtet werden (Geier 2019, S. 287). So macht es beispielsweise keinen Sinn, überwiegend dominante Charaktere in einem Projekt zu haben, da es hier sonst zu sehr viel Reibungspunkten kommen kann. Da die Auswahl der Teammitglieder über Teamleiter, Projektleiter oder die Personalabteilung erfolgt, müssen diese Stellen für ein solches Thema sensibilisiert werden, um Konflikten in Projekten vorzubeugen (Engler und Heitmann 2019, S. 178).

 

Retrospektiven

Da Konflikte allerdings nicht zu 100% vermieden werden können, gilt es häufig, bereits entstandene Konflikte zu schlichten oder zu eskalieren. Die am häufigsten eingesetzte Methode, innerhalb agiler Projekte, ist die Retrospektive. Sie ist i.d.R. fester Bestandteil von Scrum und kommt somit regelmäßig zur Anwendung. Mit ihrer Hilfe erfolgt eine stetige Verbesserung der Zusammenarbeit im Team. Außerdem ist sie der Ort, um auch Konfliktthemen offen anzusprechen und aus dem Weg zu räumen. In ihr kann oftmals eine Abstraktion der Situation geschaffen werden, um aus einer Vogelperspektive auf die Konfliktsituation zu schauen und diese dann zu lösen.

Sind Konflikte in einem Stadium, in dem sie den Verlauf des Projektes stark beeinflussen, kann man auch eine außerordentliche Retrospektive durchführen. Die Retrospektiven werden meistens vom Scrum Master moderiert und verlangen von ihm ein hohes analytisches und einfühlsames Handeln. Entsprechend ist es notwendig, solchen Rollen, wie der des Scrum Masters, eine besondere Sensibilisierung für Konfliktmanagement zu geben (Engler und Heitmann 2019, S. 178).

 

Mediation & Eskalation

Wenn Konflikte nicht angesprochen werden und sich zuspitzen, bilden sich Grenzen zwischen den Parteien und diese verhärten sich zunehmend. Auch politische Motivationen, wie beispielsweise der Wunsch, mehr Personal durch einen bestimmten Dienstleister in das Projekt zu bringen, können hierbei auftreten. Bei solchen sehr vorangeschrittenen Konflikten gibt es dann nur noch die Möglichkeit der Mediation oder der Eskalation.

Bei der Mediation werden verhärtete Konfliktsituationen mithilfe eines Mediators in einem geregelten Verfahren beigelegt. Der Mediator muss dabei unparteiisch und neutral gegenüber beiden Parteien auftreten. Im Mediationsprozess wird eine gemeinsame Lösung für beide Parteien gesucht, wobei der Mediator nur weisend und unterstützend eingreift. Im Idealfall endet die Mediation mit einem Konsens beider Parteien oder zumindest einer „Win-Win“ Lösung für alle beteiligten Parteien (Schwarz 2014, S. 333–335).

Aber nicht immer kann der Scrum Master jeden Konflikt lösen. Manche Konflikte sind mit ihren Beteiligten so festgefahren, dass dem Scrum Master nur noch die Eskalation als Mittel bleibt. Auch wenn mit dem Wort „Eskalation“ oftmals negative Eindrücke vermittelt werden, handelt es sich hier um alles andere als etwas Schlechtes. Bei der Eskalation wird nämlich die Teamebene verlassen und der Konflikt auf die nächsthöhere Managementebene getragen. Häufig wird dann eine Entscheidung über die höhere Instanz der Konfliktbeteiligten getroffen. Diese Entscheidung wird in der Regel von allen Beteiligten akzeptiert und der Konflikt wird beigelegt.

 

Fazit

Kontinuierliches Konfliktmanagement

Abschließend lässt sich feststellen, dass das Konfliktmanagement in vielen verschiedenen Formen auftritt. Konflikte sind so alt wie der Mensch selbst und es wird sie solange geben, wie er selbst auf der Erde ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine vollständige Vermeidung von Konflikten ungesund ist und dadurch ein Team eher schädigen kann als die Leistung zu verbessern. Eine gesunde und offene Streitkultur ist somit der Schlüssel zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern und IT-Dienstleistern. Transparenz und Offenheit sind wichtig und müssen in allen Aspekten gelebt und genutzt werden. Besonders im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung von agilen Projekten und vermehrte Online-Kollaborationen. Ungesunde Konflikte zu erkennen und angemessen zu reagieren ist die wichtigste Aufgabe des Konfliktmanagements und sollte in der heutigen Zeit und in Zukunft kontinuierlich betrieben und stetig verbessert werden.

 

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Quellen:

Bartscher, Thomas (2018): Definition: Konfliktmanagement. In: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, 14.02.2018. Online verfügbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/konfliktmanagement-41409/version-264774, zuletzt geprüft am 23.01.2021.

Engler, Karsten; Heitmann, Hendrik (2019): Ansätze für das Konfliktmanagement im agilen Umfeld. Das Beispiel der agilen Organisation der Commerzbank AG 8 (3), S. 174–179. DOI: 10.5771/2193-0147-2019-3-174.

Geier, Martin (2019): Aktuelle Trends im Einsatz von Projektmanagement Methoden.

Kresimir Popovic, Zeljko Hocenski (2009): 2009 ICSE Workshop on Leadership and Management in Software Architecture (LMSA). Vancouver, British Columbia, Canada, 19 May 2009 [in conjunction with the 2009 IEEE 31st International Conference on Software Engineering (ICSE 2009) May 16-24, 2009]. Piscataway N.J.: IEEE.

Proksch, Stephan (2014): Konfliktmanagement im Unternehmen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

Schwarz, Gerhard (2014): Konfliktmanagement. Wiesbaden: Gabler Verlag.

 

[1] DISG steht für die vier Grundverhaltenstendenzen: D=Dominant, I=Initiativ, S=Stetig, G=Gewissenhaft

Moritz Steger
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