So unterschiedlich und doch so gleich: Müssen wir Schulungsangebote an Remote anpassen?

Die Pandemie hat uns zu mehr Remote-Arbeit gezwungen, auch bei Fortbildungen.

Doch kann das Konzept aus der Präsenz gleich bleiben oder muss es verändert werden? Wie gut kommt ein 1:1 Transfer bei Dozierenden und Teilnehmenden an? Ich habe in den letzten zwei Jahren beide Seiten erlebt. Hier meine Gedanken und ein kurzes Fazit.

Bestandsaufnahme

Die Agenda eines Präsenzworkshops beinhaltet zumeist mehrere Vortragseinheiten sowie interaktive Anteile wie zum Beispiel durch Quizfragen. Je nach Lehrplan werden die Kurse über einen oder mehrere Tage von 9-17 Uhr angeboten.

Augenscheinlich eignen sich diese Modalitäten auch für das remote Lehrformat und sie funktionieren für einzelne Lehreinheiten sehr gut. Betrachten wir nun aber einen gesamten Workshoptag, entsteht ein anderer Eindruck: Das Feedback von Teilnehmenden in Remote-Workshops beinhaltet häufig den Wunsch nach kürzeren Workshoptagen.

Dies deckt sich mit der Wahrnehmung der Dozenten: Teilnehmende schweifen schneller in Emails oder parallele Anrufe ab. Forschende glauben hierin einen Indikator für kognitive Überlastung zu erkennen.

Daraus ergeben sich scheinbar zunächst zwei Möglichkeiten für einen an die Remote-Situation angepassten Workshop: Entweder überarbeitet man das didaktische Konzept ganz grundlegend, sodass Teilnehmende kognitiv nicht überlastet werden, oder man verkürzt die tägliche Dauer.

Halbtagsschulungen?

Vor- und Nachteil der kürzeren Tage ist die verfügbare Zeit für Teilnehmende und Dozierende. Wenn eine Fortbildung für drei Tage angesetzt war, würde sie nun sechs Tage dauern. Vorteil: Mitarbeiter bleiben einen halben Tag für das Unternehmen verfügbar. Nachteil: Sie fallen eine ganze Woche für einen halben Wochentag aus, was das Terminmanagement schwieriger gestaltet.

Tatsächlich scheint mir die Länge der Schulungen aber nicht das eigentliche Problem zu sein. Ganztagsschulungen haben sich für Präsenzformate bewährt. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die Aufbereitung und Gestaltung der Präsenzworkshops für das Medium Video nicht gut geeignet sind.

Neues didaktisches Konzept?

Wir suchen also nach einem Konzept, das für Remote-Schulungen geeignetes Lernmaterial so zur Verfügung stellt, dass die Lernenden nicht nach kurzer Zeit kognitiv überlastet sind – und das bei gleichbleibendem Lehrplan. Dabei müssen wir aber nicht automatisch auf das bereits bekannte E-Learning Material (Video anschauen und im Nachgang oder währenddessen Quizfragen beantworten) setzen.

Instruktionsdesign

Als Grundlage unseres neuen Konzeptes wollen wir von den Bedürfnissen der Lernenden ausgehen, zum Beispiel die Herausforderungen des digitalen Lernens. Ein möglicher Prozess dafür, der dies erfüllt, ist das sogenannte Instruktionsdesign (engl. Instructional Design). Es bezeichnet die systematische Anwendung von etablierten pädagogisch-psychologischen Prinzipien zur Gestaltung von Lernumgebungen.

Das Instruktionsdesign versucht, basierend auf psychologischer Lernforschung, die jeweils beste Lernumgebung zu finden, und berücksichtigt dabei folgende Komponenten:

  • unterschiedliche
    • Kategorien von Lernaufgaben,
    • Lernvoraussetzungen und
    • Rahmenbedingungen

Das Vier-Komponenten-Instruktionsdesign-Modell (4C/ID)

Das Vier-Komponenten-Instruktionsdesign-Modell (4C/ID) gilt derzeit international als das wichtigste Modell für das Training komplexer kognitiver Fähigkeiten und besteht aus folgenden Komponenten:

  • Lernaufgaben sollen möglichst konkret sein, denn damit ist es den Lernenden möglich, kognitive Strukturen aufzubauen. Diese wiederum können die Ausführung nicht-wiederkehrender Fertigkeiten lenken und so die Automatisierung wiederkehrender Fertigkeiten unterstützen.
  • Unterstützende Information wird benötigt, um nicht-wiederkehrende Aufgaben erfolgreich abzuschließen. Sie steht dem Lernenden kontinuierlich zur Verfügung.
  • Just-in-time Information wird zur Bewältigung wiederkehrender Aufgaben benötigt und steht dem Lernenden immer zur Verfügung, wenn er sie abrufen möchte.
  • Part-Task Practice sind zusätzlich zur Verfügung gestellte Übungen für wiederkehrende Aufgaben. Sie finden Einsatz bei Aufgaben, die schnell automatisiert werden sollen.

Diese vier Komponenten stehen dabei natürlich untereinander in Wechselwirkung.

Das Modell geht davon aus, dass Lernen mit kognitiver Belastung des Arbeitsgedächtnisses einhergeht. Das kann man sich vorstellen wie RAM, der je nach Auslastung bessere/schlechtere Leistung bringt. Eine Form der kognitiven Belastung entsteht durch die Komplexität der Aufgabe. Dies wirkt sich nachteilig auf den Lernerfolg aus. Eine überfordernde Gestaltung des Lernmaterials, zum Beispiel durch irrelevante Information, kann ebensolche Lernnachteile hervorrufen.

Entgegen der RAM Metapher ist jedoch nicht jede Belastungsform negativ für die Lernenden. Im Gegenteil, lernbezogene kognitive Belastung durch angemessenes Instruktionsdesign ist notwendig damit wir Lernen. Erreichen kann man dies, indem man den Lernenden anfangs noch viel Hilfestellung bei der Aufgabenbearbeitung gibt. Diese nimmt man dann mit zunehmender Kompetenz immer mehr zurück, bis die Lernenden die Aufgaben komplett selbstständig bearbeiten können.

Das vorgestellte 4C/ID-Modell gilt derzeit international als das wichtigste Modell für das Training komplexer kognitiver Fähigkeiten. Es fokussiert insbesondere die Relation der einzelnen Komponenten bei der Entwicklung von Lernumgebungen.

Fazit

Mit der Corona Krise hat sich schlagartig die Notwendigkeit für digitale Schulungen ergeben. Aufgrund ihrer Verfügbarkeit, auch über weite Distanzen hinweg, haben digitale Lehr-Lernformate in Trainings einen klaren Vorteil zu Präsenzformaten. Schnell hat sich jedoch auch gezeigt, dass diese Formate nicht unbedingt 1:1 in virtuelle Meeting Software wie Zoom übertragbar sind. Stattdessen müssen die Inhalte für das digitale Medium in digitalen Lernumgebungen neu aufbereitet werden. In diesem Artikel wurde ein Weg angerissen, um mittels Instruktionsdesign solche Formate zu entwickeln.

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Quellen

[1] Niegemann, H. M. (2004). Modelle des Instruktionsdesigns. Zu Möglichkeiten und Grenzen didaktischer Hilfestellungen. In: Rinn, U.; Meister, D. M. (Hrsg.): Didaktik und Neue Medien. Konzepte und Anwendungen in der Hochschule. Münster: Waxmann, 102-122.

[2] Van Merriënboer, J. J. & Sluijsmans, D. M. (2008). Toward a Synthesis of Cognitive Load Theory, Four Component Instructional Design, and Self-Directed Learning. Educational Psychology Review, 21(1), 55-66.

[3] Chandler, P., & Sweller, J. (1991). Cognitive load theory and the format of instruction. Cognition and instruction, 8(4), 293-332.

[4] Sweller J., Ayres P., Kalyuga S. (2011) Measuring Cognitive Load. In: Cognitive Load Theory. Explorations in the Learning Sciences, Instructional Systems and Performance Technologies, vol 1. Springer, New York, NY. https://doi.org/10.1007/978-1-4419-8126-4_6

[5] Van Merriënboer, J. J. (1997). Training complex cognitive skills: A four-component instructional design model for technical training. Educational Technology.

https://wb-web.de/material/methoden/was-ist-instructional-design.html

https://www.e-teaching.org/didaktik/theorie/instruktionsdesign/