Roleplaying-Vortrag: Djinn-pressive – die zweite Karriere des Uncle Bob.

Djinn-possible! Bob erscheint im Kaffeedunst. © Daniel Frank
Djinn-possible! Bob erscheint im Kaffeedunst. © Daniel Frank

Dunkelheit. Eine urbane Szenerie im Dämmerzustand. Plötzlich ein gleißender Blitz und dröhnender Donner. Dem Nachhall folgt nur leises Regengeplätscher, langsam fadet es aus.

Es folgt ein animiertes Intro, unterlegt von sphärischer SciFi-Musik. Der Geschichtenerzähler, ein großes Buch in der Hand, nimmt Platz:

  • „… da stehst du nun: Vor einem seltsam antiquierten Gebäude, verloren und unscheinbar im Schatten gläserner Wolkenkratzer. Ein Holzschild mit aufgemalten Lettern baumelt über der Tür und du entzifferst mühsam die Worte: ‚AnkhMor Corp.'“.

So beginnt „Software Engineering through the eyes of a roleplaying gamer“, unser interaktiver Vortrag über Software Craftsmanship und Fantasy-Klischees.
Zukünftiger Titel: “Der Fluch des blauen Auges: Aufstand der Softwerker“ (Anm. der Redaktion).

Das Konzept: Vortrag als Roleplaying Game

Das Fachliche zuerst: Es geht um die Bedeutung von Testautomatisierung, Agilität, Clean Code, Soft Skills, Code Reviews und Versionsverwaltung. Alles, was man als angehender Software-Entwickler einmal gehört haben sollte.

Gewrappt ist das Ganze in eine Story über adrett gekleidete Orks, Froschpillen, knarzende Eichentüren, schwere Äxte und alte Bekannte aus der Softwerker-Community – bei uns nur eben in der Gestalt von Dschinns oder Meistern arkaner Geheimbünde.

Interaktiv: Im Pen-and-Paper Roleplaying Style

Und wieso interaktiv? Die Teilnehmer müssen Fragen beantworten, würfeln und sich zwischen verschiedenen Optionen entscheiden. Dabei nimmt die Geschichte jedes Mal einen anderen Lauf. Ganz wie beim klassischen Pen-and-Paper Roleplay.

Anfangs von manchem wohlwollend belächelt als „spinnerte Idee“, schon bald aber quasi der Dauerbrenner auf Entwicklerkonferenzen (und von mehr als einem geadelt als bester Vortrag und „absolute Marktlücke“).

Alles aus dem Hause Method Park

Alles stammt dabei direkt aus dem Hause Method Park: Konzept und Umsetzung von Lutz Marquardt und Christoph Menzel, die Grafiken entwickelte Daniel Frank – denn Anzug-tragende Orks und Jeff Sutherlands Head-in-a-Jar findet man auf Unsplash und Shutterstock eher selten.

Um die vielen Vorträge stemmen zu können, wurden sechs weitere Parkler als Roleplay-Referenten eingearbeitet – mit dem schönen Effekt, diesen kostenlose Besuche sämtlicher Konferenzvorträge zu ermöglichen. Selbst ein Workshop war schon mal drin: Bei 15 öffentlichen Konferenzen mit je zwei kostenlosen Mehrtagestickets kommt da ganz schön was zusammen.

Roleplaying-Vortrag – Jetzt auch auf Englisch!

Im Herbst 2018 wurde zudem eine englische Übersetzung gestemmt, einer Fortsetzung der Erfolgsgeschichte auf internationalem Parkett steht also nichts mehr im Wege. Der Anspruch ist dabei, dass solch eine Art von Vortrag nichts Halbgares sein darf, sondern voll überzeugen muss! Das geht nur, wenn wirklich alles bis auf das letzte Wort sprachlich perfekt ist (inklusive zahlreicher Wortspiele und bewusst skurriler Sprache mit Fantasy Wording – Terry Pratchett und Douglas Adams waren hier tatsächlich die englischsprachige Messlatte). Und das Pareto-Prinzip? Sorry, hier ausnahmsweise mal fehl am Platz.

Die Zahlen

Wie schaut denn solch ein Roleplaying-Vortrag nun aus? Hierzu erst einmal eine statistische Sicht. Los geht’s mit einigen technischen Fakten:

Das Skript des Geschichtenerzählers besteht aus 71 Seiten Text und Anweisungen mit ca. 7000 Wörtern. Dazu kommt eine reveal.js-Präsentation, die Index.html 2000 Zeilen stark. Und das Ganze dann noch einmal auf Englisch. Natürlich auch eine Menge Bilder und Sounds, alles zusammen in einem Git-Repo, derzeit mit git rev-list –all –count = 301, letzter commit vom 22.5.2019.

Benötigt werden nebst Rechner mit aktuellem Checkout in place:

  • Ein Stunde Plus für zwei Vortragende
  • Ein Storyteller-Skript
  • Clean Code Buch eines hilfsbereiten Kollegen
  • Packung Mehl
  • Sieb
  • Großer Kunststoff-Würfel

Die bisherigen Bühnen des Roleplaying-Vortrags

Teilnehmer-Feedback Roleplay Vortrag y bei der MedConf2017
Teilnehmer-Feedback bei der MedConf2017

All die vielen Wochen zeitlicher Investition in Storywriting und Coding haben sich definitiv gelohnt: 2017, auf dem Herbstcampus in Nürnberg erblickte der Vortrag das Licht der Welt in seiner ersten puren Fantasy- Version.

Seitdem haben Bilder und Text einen Cyberpunk-Anstrich bekommen, der Vortrags-Counter steht mittlerweile bei 20 (das interne MP Kolloquium mal außen vorgelassen): Öffentliche und nicht-öffentliche Konferenzen im In- und im Ausland, darunter zwei Keynotes, außerdem je einen Uni-Vortrag und eine Jobmesse – und noch immer ist kein Ende in Sicht.

Die Besucher unter anderem der DWX Developer Week, der MedConf, der ADC, den Clean Code Days, der Basta, der Talliner TopConf und zuletzt der Magdeburger Developer Days konnten dazulernen und gleichzeitig Spaß haben.

Die Insider

Haufenweise Skurriles, viele versteckte Anspielungen auf Fantasy und SciFi sowie krude Wortspiele mit doppeltem Boden haben auch diejenigen prächtig unterhalten, die fachlich schon gut dabei waren und sich sonst womöglich gelangweilt hätten.

David Allen, Kaizen und der Terminator

Ein Beispiel zum Knobeln: „GetEntthingsDone – die Zeitmanagement-App für baumartige Wesen“. Anybody?

Wer völlig frei von unnützem Tolkien- und Terminator-Wissen ist und nie etwas von David Allen gehört hat, schaute manchmal verwundert, wenn sein Nachbar plötzlich zu prusten begann. Auch die auf Agilität und Kaizen getrimmte Eingangsszene aus dem kleinen Hobbit erkannten nur die wirklich gut Eingeweihten: statt Dori, Nori und Ori läuten bei uns Muda, Mura und Muri in ihren schweren Kapuzenmänteln an der Eingangspforte.

Der Typ von der Staubsaugerklitsche

Aber die Entwickler Community hat ja glücklicherweise genügend SciFi und Fantasy-Nerds. Zumindest für diese ist es ganz offensichtlich, dass „Daniel Dyson“ der aus filmhistorischer Sicht ZWINGENDE Name des Entwicklungschefs einer Haushaltsroboter-Firma anno 2021 sein muss. Dr. Azog nennt ihn übrigens nur „den Typ von der Staubsaugerklitsche“. Und für ebenjene Nerds ist es dann sicherlich noch einleuchtender, dass Changes im (Haushaltsroboter-)Code immer mit Argwohn betrachtet werden sollten – insbesondere wenn der Urheber ein nackter Mann ist, der kurz zuvor einer „von Blitzen umzuckten mannshohen Kugel entstieg“.

Lernziel also erreicht: Code Reviews und Tests können Leben retten. In der Medizintechnik- und Automotive-Branche wissen wir, dass das nicht einmal übertrieben ist.

Stopp!

Das war ja jetzt alles schön und gut. Aber du hast nun schon so viel Zeit damit verbraten, diesen Blog-Artikel bis hierhin durchzulesen – und technisch scheint hierbei ja nicht besonders viel herumzukommen. Wie soll der Tag denn jetzt weitergehen?

Folgende Möglichkeiten kommen dir in den Sinn:

Option 1:

Nach all dieser verlorenen Zeit kannst du es mit deinem Gewissen nicht vereinbaren, das drängende Entwicklungsprojekt noch weiter liegen zu lassen. Morgen Abend ist doch schließlich Code-Freeze – also nichts wie ran an die Arbeit!

Option 2:

Eine kleine Auszeit hat noch keinem geschadet, denkst du dir. Außerdem ist der Method Park Blog ein Fortbildungs- oder zumindest ein Informationsangebot und das Lesen der Artikel ausdrücklich vom Management erwünscht. Schließlich geht es nicht nur um die Anzahl an Codezeilen, die du an einem Tag heruntergehackt kriegst. Also schnell noch einen sahnig aufgeschlagenen Cappuccino gezogen, und weiter geht’s mit dem nächsten ungelesen Blogbeitrag.

Option 3:

Inspiriert von dieser Fülle an Kreativität und motiviert vom durchschlagenden Erfolg des Rollenspiels kommt dir ein Gedanke: Wieso nicht selbst einmal einen interaktiven Vortrag ausarbeiten, mit skurriler Geschichte, haufenweise bescheuerten Wortspielen und Lerninhalten zum Thema Softwareentwicklung, Architektur oder was auch immer? Man munkelt sogar, gewisse Kunden hätten daran schon Interesse angemeldet. Ja, das ist es! Voller Tatendrang machst dich auf den Weg zu deinem Teamleiter.