Medical Risk Management nach ISO 14971:2019 (Teil 2)

So geht’s nach der Risikoanalyse weiter

Hier habt ihr erfahren, wie man eine Risikoanalyse nach ISO 14971:2019 durchführt. In diesem Beitrag erkläre ich Euch, was ihr danach tun müsst. Das Übersichtsbild, das wir in Anlehnung an die Norm erstellt haben, gibt Euch einen Überblick über die Aktivitäten des Risikomanagement-Prozesses für Medizinprodukte:

 

© Method Park

 

Risikobewertung und Risikobeherrschung

Im nächsten Schritt führen wir die Ergebnisse aus der PHA, FTA und FMEA zusammen und bewerten sie anschließend. Für die Risikobewertung erstellen wir eine Risikomatrix, in der wir akzeptable und inakzeptable Bereiche anhand der Risikoeinschätzung definieren. In diese Matrix tragen wir nun die Risikoeinschätzungen ein. Dadurch bekommen wir einen Überblick, welche Risiken wir mitigieren, also reduzieren, müssen. Wir legen dabei fest, dass wir uns auch alle Risiken, die bereits im akzeptablen Bereich liegen, noch einmal anschauen. Nur dann können wir sicher sein, dass alle Risiken so weit wie möglich mitigiert werden. Das machen wir, indem wir geeignete Risiko-Beherrschungsmaßnahmen festlegen. Bei den Risikobeherrschungsmaßnahmen gibt uns die Norm eine Liste mit an die Hand, die wir in folgender Reihenfolge beachten müssen:

  • Integrierte Sicherheit durch Design
  • Schutzmaßnahmen im Medizinprodukt selbst oder im Herstellungsprozess
  • Informationen zur Sicherheit

 

Risiko-Beherrschungsmaßnahmen

Zur Erinnerung: Aus der Risikoanalyse haben wir folgendes Risiko für unser aktives Implantat identifiziert:

© Method Park

 

Jetzt tragen wir das errechnete Risiko für unser aktives Implantat aus dem Beispiel oben in unsere Risikomatrix ein und stellen fest, dass dieses Risiko im inakzeptablen Bereich liegt. Deswegen definieren wir folgende Risiko-Beherrschungsmaßnahme:

 

Das aktive Implantat muss vollständig aus Keramik bestehen, um einen MRT Scan des Patienten zu ermöglichen.

 

Daraufhin reduziert sich die Auftretenswahrscheinlichkeit unserer Gefährdungssituation (P1) von 3 auf 1. Das bedeutet, dass die Risikokennzahl und somit das Risiko nach der Mitigation von R = 45 auf R = 15 sinkt und somit im akzeptablen Bereich unserer Risikomatrix liegt.

Anschließend bewerten wir noch, ob der medizinische Nutzen das verbleibende Restrisiko überwiegt oder nicht. Falls das nicht der Fall ist, sollte hier in Erwägung gezogen werden, ob das Medizinprodukt selbst oder die Zweckbestimmung geändert werden kann. Andernfalls bleibt das Risiko inakzeptabel. In unserem Fall aber überwiegt der medizinische Nutzen das verbleibende Restrisiko. Deswegen überlegen wir uns als nächstes, ob wir neue Risiken durch unsere Risiko-Beherrschungsmaßnahmen generieren. Bei uns entstehen keine neuen Risiken. Falls aber neue Risiken aufgetreten wären, hätten diese wie die bisherigen Risiken auch engeschätzt und bewertet werden müssen. Abschließend überprüfen wir, ob die Aktivitäten zur Risikobeherrschung vollständig sind.

 

Bewertung der Akzeptanz des Gesamtrestrisikos

Nach den Aktivitäten zur Risikobeherrschung bewerten wir das Gesamtrestrisiko für unser aktives Implantat. In unserem Fall ist es akzeptabel und wir müssen die Nutzer somit lediglich in den Begleitdokumenten darüber informieren. Andernfalls hätten wir weitere Risiko-Beherrschungsmaßnahmen implementieren oder sogar das Medizinprodukt selbst oder die Zweckbestimmung ändern müssen.

Vor der Freigabe zum kommerziellen Verkauf erstellen wir einen Risikomanagement-Bericht. Dabei steht vor allem im Fokus, ob der Risikomanagementplan entsprechend umgesetzt wurde, das Gesamtrestrisiko akzeptabel ist und geeignete Methoden vorhanden sind, um Informationen aus der Herstellung und der Herstellung nachgelagerten Phasen zu sammeln.

Außerdem bewerten wir relevante Informationen aus der Herstellung und der Herstellung nachgelagerten Phasen. Dabei stellen wir fest, dass sich dadurch Änderungen an der Risikoanalyse und der Risikobewertung ergeben, die wir daraufhin einarbeiten.

 

Risikomanagementakte

Nachdem nun alle diese Aktivitäten durchgeführt wurden, stellen wir die Risikomanagementakte zusammen. Diese enthält alle erstellten Dokumente, wie den Risikomanagementplan, die Risikoanalyse und die Risikobewertung. Dabei ist es allerdings ausreichend, wenn die Risikomanagementakte eine Referenz auf das eigentliche Dokument enthält.

Mit der Zusammenstellung der Risikomanagementakte sind wir jetzt einmal durch den Risikomanagement-Prozess durch. Solange unser aktives Implantat allerdings am Markt ist und implantiert bzw. verwendet wird, müssen wir auch die Dokumentation zum Risikomanagement immer wieder aktualisieren. Dabei steht immer im Fokus, den Schaden am Menschen sowie an der Umgebung und der Umwelt zu verhindern oder zu minimieren.