Beyond RE – Requirements Engineering Conference 2019

Im März ging es für mich nach München zur größten Requirements Engineering-Konferenz Europas. Dort, wo sich das „Who is Who“ des Anforderungsmanagements trifft und seine Erfahrungen austauscht, öffnete die REConf vom 11. bis 15. März bereits zum 18. Mal ihre Pforten. Und dieses Jahr zeigte sie, dass sie auch über sich hinauswachsen kann. Unter dem Motto „Beyond RE“ wurden Themen wie Agilität, Industrie 4.0, Digital Design und New Work besprochen und erarbeitet. Ganz klar mit dem Ziel Anforderungsmanagement und Agilität zusammenzubringen.

Erster Konferenztag – Der Workshoptag

Requirements Engineering meets User Experience

In den Vormittagsworkshop startete ich mit dem Thema „RE meets UX“. Es zeigte sich, dass die beiden Fachbereiche Requirements Engineering (RE) und User Experience (UX) viele Gemeinsamkeiten und Schnittstellen haben, und sogar auf beiden Seiten ergänzende Vorteile mit sich bringen können.

Man könnte sagen, lediglich der Fokus wird anders gesetzt. So spricht der UX-Designer nicht von Kundenanforderungen, sondern von User Needs. Auch versteht er unter Stakeholdern bereits ganz konkrete Benutzergruppen. Der Anforderungsmanager hingegen berücksichtigt alle Stakeholder, die direkten oder indirekten Einfluss auf das Projekt haben. Auch beim Testen legt UX im Gegensatz zu RE seinen Fokus viel mehr auf präzise Emotionen, Reaktionen und die Zufriedenheit des Kunden im Umgang mit dem Prototyp. Hier spricht man von der sogenannten „emotionalen Qualität“. RE hingegen setzt hier auf „technische Qualität“, vergleicht Funktionalität mit Spezifikation, und prüft so auf Korrektheit.

Der Workshop war ein sehr schöner Start in die Konferenz und hat mir trotz der recht ausführlichen Einführung in die beiden Fachbereiche sehr viel Spaß gemacht.

User Stories und Akzeptanzkriterien wirklich verstehen

Am Nachmittag entschied ich mich für ein Thema, das mich tagtäglich durch meinen Projektalltag begleitet: „User Stories und Akzeptanzkriterien wirklich verstehen“.

Quelle: Veranstalter Beyond RE
Quelle: Veranstalter Beyond RE

Nicht selten führen ein uneinheitliches Verständnis von Anforderungen, sowie fehlende Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten dazu, dass eine Aufgabe missverstanden, Ziele nicht erreicht oder ein Projekt gar letztendlich zu scheitern droht. Hier setzt Behavior Driven Development (BDD) an, um welches es auch konkret in dem Workshop ging.

Die Kernidee von BDD ist es User Stories durch Akzeptanzkriterien zu detaillieren und diese wiederum als konkrete Beispiele zu definieren. Dies soll uns helfen, ein einheitliches Verständnis für Anforderungen zu bekommen, sowie uns bislang unbekannte Dinge zu entdecken.

Mit einem Arbeitsbuch ausgestattet erarbeitete ich in einer Gruppe mit drei weiteren Konferenzteilnehmern Themen rund um BDD und lernte wie diese zusammenhängen. Dies umfasste unter anderem Deliberate Discovery, Living Documentation, Test Driven Development, Gherkin und Example Mapping.

Nach dem Workshop folgten der Dinner Imbiss, der „Icebreaker“ und ein weiterer Open Space. So konnte ich den ersten Konferenztag gemütlich bei gutem Essen und interessanten Gesprächen ausklingen lassen. Und als Highlight gab es sogar eigens vom Veranstalter gebrautes Konferenzbier.

Zweiter Konferenztag – Erster Vortragstag

Kompetenzwende & Fehlerkultur

Den Start machte Gunter Dueck. In seiner Keynote „Core Competence – Shift Happens“ sprach er unverblümt über Kompetenzwende, Innovation, nicht wahrgenommene Chancen und warum man einfach mal machen sollte. Ein hörenswerter Vortrag, sehr unterhaltsam, witzig, aber vor allem auch erschreckend nahe an der Wahrheit. Wer ebenfalls wissen möchte was Katzen, Hunde und Tütensuppen mit Agilität, Innovation und McDonaldisierung zu tun haben, soll sich den Vortrag gerne online ansehen.

In der zweiten Keynote des Tages „Fehler sind die Meilensteine auf dem Weg zum Erfolg“ machte Uwe Valentini deutlich, wie wichtig Fehler für das Lernen und den Fortschritt sind, und wie eigenartig doch unser Verständnis und Verhältnis zu Fehlern ist. Wir wollen alle etwas Neues lernen, sind aber nicht bereit, Fehler zu machen.

Auch verdeutlichte er anhand eines Beispiels zweier sicherheitskritischer Branchen, wie unterschiedlich ihre Fehlerkulturen sein können. Neben kognitiver Dissonanz sind häufig Hierarchien daran schuld, dass effektive Kommunikation gehemmt und Lernen verhindert wird. Über Fehler wird nicht gesprochen, Ursachen werden nicht analysiert und eine Optimierung ist somit nicht möglich.

Ich nahm mir aus dieser Keynote vor allem zwei Dinge mit. Zum einen, man sollte sich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Fehler gerade in komplexen Systemen passieren. Und zum anderen, die Strategie der kleinen Schritte. Eine mögliche Strategie, die unter anderem darauf abzielt, absichtlich Fehler zu machen, um etwas Neues zu lernen und dem Ziel so Schritt für Schritt näher zu kommen.

Digitale Transformation & Innovation

Im Laufe des Tages besuchte ich die Ausstellermesse sowie weitere Fachvorträge zu den Themen „Digitale Transformation“ und „Innovation“. Unter anderem lernte ich, wie die Einbindung von Kundenfeedback Softwareentwicklung verbessern und ein RE-Tool mit agilen Prinzipien erfolgreich ausgewählt, eingeführt und nachhaltig etabliert werden kann.

Auch wie Agilität Innovation verhindert, wurde in einem der Vorträge thematisiert. Der Titel wurde hier vom Vortragenden bewusst provokativ gewählt. Es soll nämlich nicht bedeuten, dass Agilität Innovation zwingend verhindert. Häufig jedoch wird Agilität missverstanden und führt so zu noch mehr Druck in den Projekten. Richtig verstanden und mit dem nötigen Freiraum zur Ideenverwirklichung, unterstützt es hingegen innovatives Arbeiten. Auch wenn das bedeutet, dass man mal scheitert.

Der letzte Fachvortrag an diesem Tag – „Jazz enables Change“ – sorgte im wahrsten Sinne des Wortes für den perfekten Ausklang. Begleitet von Jazz-Klängen, erarbeiteten die Vortragenden gemeinsam mit dem Publikum Lernkonzepte der Jazz-Improvisation, stellten die Parallelen zur Agilen Transformation her und zeigten, dass die Prinzipien auf das Erlernen agiler Arbeitsweisen übertragbar sind.

Nach einem letzten Impulsvortrag hieß es für mich auch schon wieder Abschied nehmen. Von einer Konferenz, die gespickt war mit vielen interessanten Gesprächen und neuen Sichtweisen. Die getreu ihrem Motto zeigte, dass wir heutzutage auch im Umgang mit Anforderungen mit viel mehr Leichtigkeit und Flexibilität agieren müssen und Requirements Engineering vor allem als individuelle Fähigkeit, die jedes Teammitglied zu einem gewissen Maße mit einbringt, verstehen sollten.